Einband Der 13. Ton Der 13. Ton

Gedichte
156 Seiten, 1 Abbildung, gebunden, Verlag W. A. Colomb (1969)
Preis: EUR 5,00
vergriffen

Mit tiefgründigem Ernst und sprühender Heiterkeit werden hier überkommene Begriffe in Zweifel gezogen. Man könnte den Inhalt als frivol-erotisch-ketzerisch-gottesfürchtig bezeichnen, nichts schließt das andere aus. Aber die Autorin lässt ihre Leser - im Gegensatz zur allgemeinen Tendenz in der modernen Lyrik - nicht mit leeren Händen stehen. Sie zeigt Wege der Bewältigung auf für diejenigen, welche ernsthaft danach suchen.



Kostproben:


DEINE LIEBE

Deine Liebe ist ein Vogelgleitglanz
an einem Frühlingsmorgen,
der mich in Schwingung versetzt.

Deine Liebe ist ein Kirschblütenfest
in einem singenden Hain.
Ich bin der lauschende Wanderer.

Deine Liebe ist eine Champagnerbrandung,
die zu meinen Sinnen aufrauscht
und mich endlos betäubt.

Deine Liebe ist ein Windblumenbaum.
Mein Herz schaukelt wie ein Lampion
an seinem obersten Ast.

Deine Liebe ist ein Sternschnuppenlied
in einer langen Sommernacht.
Ich darf mir alles wünschen.

Deine Liebe ist eine Goldstaublawine
von einem erglühenden Berg.
Sie wird mich lebendig begraben.

Deine Liebe ist eine ergreifende Messe
für meine verlorene Seele,
die ich nie wiederfinde.



SIEBEN TAGE

Spätsommer tropft
von den korallenen Ohrgehängen
der Eberesche.
Wir nehmen Abschied.
Sieben Tage
werden wir uns nicht seh'n.

Lass uns um die Kühle
der kleinen Trennung nicht weinen:
Sieben Tage
sind eine kurze Zeit.

Siebenmal wird es Morgen werden
und Abend.
Die Nächte sind lang,
und ich zähle die Stunden.

Beerenschönheit wird Beute
allen herbstlichen Vögeln.
Denke manchmal an mich.

Sieben Tage
sind eine lange Zeit.



WEISST DU WIE DAS IST

Weißt du, wie das ist, wenn Hände weinen?
Wenn verkrampfte Menschenfinger
sich in kühle Steine graben
und mit blutig-stumpfen Nägeln
in den Fugen Wurzeln schlagen?

Weißt du, wie das ist, wenn Augen schluchzen
über tauben Herrlichkeiten?
Wenn sie wie verwaiste Vögel
und mit spitzig-kleinen Schreien
flügellose Flucht versuchen?

Weiche, weiche, schwermutkranker Zauber!
Licht, komm wieder!
Wunder, du sollst tausendmal geschehen!
Doch die Lippe fleht vergeblich.

Keiner kann sich selbst entkommen,
wenn ihn Liebe nicht erlöst.


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